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Wiesbadener Tagblatt vom 20.12.2004

Wortjonglagen auf der Wohnzimmer-Bühne

Ken Yamamoto gewinnt die Endausscheidung für den Grand Poetry Slam 2004 im Schlachthof
Von unserer Mitarbeiterin Inka Müller

Schriftsteller gelten häufig als abgehoben, und ihre Lesungen scheinen nur für einen kleinen, elitären Kreis bestimmt. Anders beim Poetry Slam: Literatur von allen für alle lautet hier das Motto. Dabei kommt allerhand aus deutschen Schreibtischschubladen zutage, was ansonsten zu ewiger Finsternis verdammt wäre.
Was gelesen wird, entscheidet kein Verlag, sondern der Spoken-Words-Poet selbst, wodurch das Publikum in den Genuss von erfrischend unkommerziellen Schreibversuchen kommt. Das kann ziemlich daneben gehen, aber auch erstaunlich gut werden. Jeder kann etwas vortragen - vorausgesetzt er wagt es, sich der gnadenlosen Publikumsjury zu stellen.
Die sieben Sieger der monatlich vom Verein "Where the wild words are" veranstalteten Slams haben sich getraut. Sie alle traten jetzt zum Grand Slam 2004 in der Räucherkammer des Schlachthofs gegeneinander an. Bewertet wurde nicht nur das Was, sondern auch das Wie. Ob sie lesen, frei sprechen oder rappen wollten, blieb den Auserwählten selbst überlassen.
In lockerer Wohnzimmeratmosphäre konnten sie sich austoben und um die Gunst des Publikums buhlen. Angenehm familiär die Stimmung. Die Slammer sind Leute wie du und ich. Ob Alt oder Jung, Punk oder Normalo spielt keine Rolle - es stellt sich nur die Frage, warum es keine Frauen unter die Besten geschafft hatten. Erlaubt ist alles. Von der Kurzgeschichten über Nonsense-Texte bis hin zu ernsthafter Lyrik war alles dabei. Tollkühne Wortjonglagen, dadaistische Lautmalereien oder lokalgebundene Insiderpoetik. Fünf Minuten hatte jeder Dichter Zeit, das Publikum von seinem Können zu überzeugen.
Außer Konkurrenz stand Florian H.H. Graf von Hinten aus Bonn, der Gewinner des Grand Slams 2003. "Die Zukunft ist wie Internet mit Tausend Möglichkeiten, und trotzdem lande ich immer wieder nur auf faden Seiten", heißt es in einem seiner Gedichte.
Dass durchaus nicht immer die Lauten und Witzigen gewinnen, bewies die Entscheidung des Publikums: Ken Yamamoto wurde zum King of Slam gekürt. Gefühlsgeladen und ehrlich kommt nicht nur seine Lyrik, sondern auch seine Vortragsweise daher. Der 27-Jährige schreibt bereits seitdem er 14 Jahre alt ist und hat auch schon große Slams in München und Stuttgart gewonnen. Seine Gedichte beleuchten Aspekte unserer Welt. Atmosphärisch dicht werden Bilder und Details aneinandergereiht, die Assoziationen und Emotionen wecken. In die Texte fließt ein, was Yamamoto beschäftigt, das können Zitate, aber auch Gespräche mit Freunden sein. Die Sprache des in Mainz lebenden Studenten ist voller Rhythmus und Musikalität. Über 200 Euro durfte er sich freuen und wird Wiesbaden beim kommenden German International Poetry Slam in Leipzig vertreten.

(Quelle: Wiesbadener Tagblatt vom 20.12.2004 )

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