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Wiesbadener Kurier vom

Mückennahrungslieferant kriegt Lebkuchenherz

Wortgewaltiger Frank Kloetgen aus Berlin gewinnt den "Grand Poetry Slam" im Schlachthof
Vom 22.12.2006 Von Julia Anderton

WIESBADEN Gut Ding will Weile haben, und so brauchte es anderthalb Stunden, bis der Grand Poetry Slam der Champs 2006 des Vereins "Where the wild words are" im Schlachthof schließlich eröffnet wurde. Doch dann gewann der Abend an Tempo: Kaum hatte Moderatorin Bettina Lehmann darauf hingewiesen, dass es Mut erfordere, "hier mit eigenen Texten auf die Bühne zu kommen", fiel der Startschuss zum Wettkampf der Worte: Fünf Kandidaten, die sich über ihre Siege bei den über das Jahr verteilten Poetry Slams qualifiziert hatten, kämpften um die Gunst des Publikums, das als Jury fungierte. Als einzige Frau am Start war Mary Grebener, die zwar noch keinen Slam gewonnen hat, von den Veranstaltern aber ehrenhalber als "treuste Teilnehmerin" ins Rennen geschickt wurde. Ihre Texte erzählten von Missgeschicken eines "peinlichen Pechvogels" und den Auswirkungen des Weihnachtsstresses. Nette Idee, aber zu brav für den Sieg.

In eine völlig andere Richtung zielte Lokalmatador Jens Jekewitz, der einen wütenden Abgesang auf "die Männer in Grün" ins Mikro brüllte: "Wenn Schweine fliegen könnten, bräuchte die Polizei keine Hubschrauber!" Leider flüchtete er sich in seinem atemlosen Vortrag sehr in Plattitüden.

Stefan Reis wiederum berichtete vom eigenen Namen auf einer geheimnisvollen Liste, die seine Selbstsicherheit schmelzen lässt "wie Zuckerwatte im Schlund gieriger Kinder". Ein witziger Einfall, der erst mit dem Schlusssatz aufgelöst wurde: Auf der Liste sind die Namen aller Slam-Kandidaten vermerkt. Auch Vorjahressieger Falk Fatal resümierte über die "fünf Minuten im Scheinwerferlicht" und schlug dann als "Killerspielespieler, der gern Killerspiele spielt" - und in Wirklichkeit gar keiner ist, denn "ich habe die Poesie, wenn ich Amok laufen will" - einen eleganten Bogen zur Gesellschaftskritik, um schließlich mit dem Berliner Frank Kloetgen im Finale zu stehen. Den Titel konnte er diesmal jedoch nicht erringen, dazu war der Berliner zu gut: In einem mitreißenden Wechsel zwischen sonorem Singsang und hektischem Silben-Stakkato berichtet Kloetgen vom schmerzhaften Dasein als Mückennahrungslieferant, bis sich durch die Stiche auf der Haut "Beule um Beule türmt zu einem quaddeligen Gebirgszug" und er durch den dabei injizierten Blutdurst beinahe zum Killer wird. Und weil ein Dichter nicht nur von Luft und Kunst leben kann, gab´s als Preis ein Lebkuchenherz für den Sieger.

Quelle: Wiesbadener Kurier vom 22.12.2006

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